An dieser Stelle schonmal ein Bericht vom Wochenende, der auch ohne Bilder zu erzählen ist. Freitag war auf unserem Flur grosser Pokerabend. Das hiess im Enddeffekt, dass 5 Schweden und ich um die Wette pokerten. Zu gewinnen waren stattliche 200 Kronen, also ca. 20 Euro. Der Vorteil im Poker allgemein besteht darin, dass es ohne Verständigungsprobleme zu spielen ist und dass die Kunst darin besteht das Spiel mit neuen Mitspielern wieder neu zu lernen. Es gibt wohl kaum ein anderes Spiel bei dem man ohne Worte seinen Gegenüber in so kurzer Zeit so gut kennenlernt. Teilweise bestätigen sich die Eindrücke, andere wiederum verkehren komplett ins Gegenteil und am Ende stellt sich die Frage welche Offenbarungen nur Mittel zum Zweck - also, um in der Pokersprache zu bleiben, ein großer Bluff - waren. Wie der Titel einer für manche Leser vielleicht doch bekannten Band stellt sich die alles entscheidene Frage: How to call a Bluff? Hat man es nach einigen Händen und Karten geschafft seinen Mitspieler wirklich lesen zu können oder wurde man selbst zum Opfer der Lüge.
Diese Problemstellung zog sich für jeden der Mitspieler durch den gesamten Abend, wobei meine schwedischen Mitbewohner, die schon ein paar Jahre oder wenigstens Monate auf diesem Flur leben, lediglich vor das Problem gestellt waren mich zu "lesen". Für mich gestaltete sich die Aufgabe ungleich schwerer. Genug der grauen Theorie, die an diesem Abend bei Bier und Pizza nicht im Vordergrund stand, sondern vielmehr der Spass am Spiel und die damit verbundene Völkerverständigung.
Nach ca. 2 Stunden befanden sich Nicklas und ich als letzte Verbliebende im finalen Heads up, das über den neuen Besitzer des stattlichen Gewinns entscheiden sollte. Alle nicht Pokerfreunde können an dieser Stelle mit dem Zusatz, dass das Geld nicht in meinem Besitz gelandet ist, das Lesen dieses Beitrages einstellen. Allen anderen muss ich nicht erklären, dass ein Heads up eine eigene Dramatik aufweist. Alle vorher gesammelten Eindrücke relativieren sich oder können sich ganz aufheben, weil eine neue Spielsituation entsteht. Mut zum Risiko, eine richtige oder auch schlechte Entscheidung und viel öfter noch das Glück entscheiden über den Sieger des Abends. In unserem Heads up war es wohl ein Mix aus allem, was den relativ aggressiv agierenden Nicklas dazu bewog nach einem munteren Wettbieten meine Aufforderung eines All-Ins nicht zu folgen. Die Tatsache, dass dies eine richtige Entscheidung war stellte sich heraus weil ich des Spasses wegen etwas tat, was Pokerspieler im Allgemeinen nicht tun. Jedenfalls deckte ich meine beiden Asse auf und wusste nicht ob ich Nicklas für seine gute Entscheidung beglückwünschen oder mich über die entgangene Chance ärgern sollte. Ich entschied mich für ersteres, denn die Opportunitäskosten wie wir Ökonomen sagen, also die Kosten der entgangenen Gelegenheit, waren nicht so gross gewesen. Zwar wanderten seine Chips nicht einmal quer über den Tisch auf meine Seite, aber letztendlich war ich noch im Spiel und hatte die Runde gewonnen. Risiko, Entscheidung, Glück. Welcher dieser 3 Faktoren die direkt folgende Runde beeinflusste lasse ich dahingestellt. Jedenfalls waren Nicklas' seherische Fähigkeiten beeindruckend, die da lauteten: "I really want to continue playing against you, because it's fun. But I think we will both be All-in with this hand" Über den Ausgang hatte er zwar keine Vision aber letzlich waren wir nach kurzem Abtasten All-In. Ich hielt mich für einen Glückspilz, denn wie oft folgen auf eine Hand mit American Airlines (2 Asse) direkt 2 Könige. Da ich kein ausgewiesener Freak, bin kann ich nicht mit Wahrscheinlichkeiten dienen, jedenfalls freute ich mich über eine statistisch gute Chance auf den Gewinn und verplante in Gedanken schoneinmal die 200 Kronen. Als mein Gegenüber dann aber 2 Asse auf den Tisch pfefferte und und mich mit den folgenden 5 Karten auch der Faktor Glück nicht mehr retten konnte fand das Spiel mit einer würdigen Hand einen würdigen schwedischen Sieger. Dieses für Pokerfreunde durchaus ungewöhnlich spektakuläre Spielende im Heads up sorgt noch heute, also geschlagene 6 Tage später, für Gesprächsstoff im 1. Stock von Triogatan 4 und war das Ende eines - fast (lasst euch von einem BWLer sagen dass Geld nicht das wichtigste ist im Leben) - durchweg gelungenen Abends. Der schwedischen Freude den Sieger gestellt zu haben kann ich immerhin mit meinem statistischen Wissen um die Erfolgschance bei 1 aus 6, aber noch viel wirkungsvoller mit dem Spruch: "Und im Fussball gewinnen doch immer wir" entgegenen.
Soviel vom Poker. Das nächste mal auch mit Bildern, damit ich meinen Schwedenflur mal vorstellen kann!
Vi ses snart,
Hälsningar, Henrik
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen