Sonntag, 10. Mai 2009

Besuch aus Deutschland und Tallinnfahrt - Zeit der polnischen Hunde

Am 03. April durfte ich Besuch aus Deutschland empfangen. Pat und Rafi hatten sich aufgemacht um das muntere Treiben hier in Karlstad mal aus nächster Nähe zu betrachten. Vom Bahnhof ging es hier direkt an den Campus, Färjestads erstes Heimspiel des Playofffinals lief schon - leider waren aber keine Karten zu ergattern gewesen. Somit wurde das Spiel in der Küche am Fernsehr verfolgt. Natürlich sollten aber auch die Mägen der hungrigen Gäste gefüllt werden und was bietet sich da besser an, als die berühmten schwedischen Hackbällchen - hier Köttbullar genannt - auf den Tisch zu zaubern. Gesagt getan, nach kurzer Mahlzeit und der Erkenntnis der deutschen Gäste dass das durchaus schmeckt konnte man sich dem Alkohol widmen. Oft erwähnt, viel berichtet, es wäre nichts neues wenn ich an dieser Stelle erneut auf die Alkoholpreise hier in Schweden eingehen würde, es ist teuer wie mittlerweile jeder weiß. Der Auftrag nach Deutschland war also klar, Alkohol braucht das Land. Und auf seine Freunde kann man sich doch verlassen wie sich beim Öffnen der Koffer zeigte. Es scheint grotesk, dass schwedischer Absolutvodka erst nach Deutschland exportiert und dann wieder in den Norden eingeflogen werden muss, aber dadurch spart man nunmal gut die Hälfte ein. Jedenfalls ging's ab ins Eisfach - kühl schmeckt's eben doch am besten. Natürlich hatten Pat & Rafi auch an den für uns so überlebenswichtigen Sirup gedacht. Meine Flurmitbewohner hatte ich schon tagelang auf diesen Abend vorbereitet, denn polnischer Hund sollte getrunken werden. Für alle die es noch nicht kennen, dieses unübertreffbare Getränk zeichnet sich durch das richtige Mischverhältnis von Vodka und Sirup aus. Beherrscht man dann noch die richtige Trinktechnik - denn die ist von essentieller Bedeutung - kann eigentlich nichts mehr schiefgehen. Jedenfalls hatte ich meinem Flur schon seit Tagen von "polska hunden" vorgeschwärmt, nun war man natürlich gespannt. Und wie bei jeder Feier, bei der wir unsere Trinkkunst über die hessischen Grenzen hinaus verbreiten, gab es Ächter und Zweifler. Niklas z.B. hielt nicht soviel vom Sirup und stieg ziemlich schnell auf "Russian Style" um - Vodka pur. All diejenigen die sich aber die Zeit nahmen um in die Tiefe der polnischen Hundkunst eingeweiht zu werden zeigten sich begeistert und so waren nach dem ersten Abend schon zwei Flaschen geleert und noch jetzt werde ich bei diversen Partys gefragt: "Henrik, när är polska hunden?" - ja, wo ist der polnische Hund bloß?! Weiteres Highlight des Abends war die von Niklas produzierte Borscht-Suppe mit roter Beete. Zwar zweifelte ich an den Geschmacktseigenschaften dieser Brühe liess mich aber glücklicherweise eines besseren belehren. Lecker war's. Allerdings war die Suppe in solch hohem Maß produziert worden dass gegen Schlafenszeit noch ein großer Kochtopf übrig war. Am nächsten Morgen jedoch war alles verputzt und es ließen sich nur noch Suppenreste auf Boden und Kochplatte ausfindig machen. Vermutet wird ein Hungerast des Chefkochs Niklas.

Trotzdem ging es am nächsten Morgen relativ früh aus der Koje. Immerhin sollten meine Gäste noch etwas von Karlstad sehen. Natürlich wird jeder Gast von mir ersteinmal zum naheliegenden See Alstern geführt. Dieser war Anfang April noch zugefroren und wäre wohl auch noch begehbar gewesen, was wir jedoch unversucht liessen. Pat und meine Wenigkeit zeigten sich mehr oder weniger stark kränkelnd - Nase zu, Druck auf den Ohren, Kopfschmerzen waren keine guten Anzeichen. Weiter ging die Führung zur Uni, denn die ist ja im Gegensatz zu der heimischen Giessener Uni vorzeigbar. Es folgte eine Stadtrundführung und der Verzehr der in Schweden so berühmten Goodis, doch auch das konnte nicht zu unserer Genesung beitragen. Insbesondere bei Pat gingen gegen Abend die Lampen aus und so stellten wir Ernährung auf Tee und Vitamine um.
Unser Programm kannte allerdings keine Gnade. Am Morgen des nächsten Tages brachen wir gen Stockholm aus. Von dort aus sollten wir mit dem Schiff die Reise nach Tallinn antreten. Während sich unser Wohlbefinden nicht wirklich gebessert hatte - Rafi dagegen zeigte sich noch immer resistent gegen unsere Krankheitserreger - kämpften wir damit im Zug einen Platz zu finden der nicht reserviert war. Nach mehren Vertreibungsaktionen hatten wir dann endlich einen solchen gefunden und widmeten uns dem Kicker EM-Quiz. In Stockholm angekommen ging es nach kurzem Zwischenstopp im Burger King Richtung Hafen. Auch wenn von gewisser Stelle aus Österreich an meinem Orientierungssinn zur richtigen Bushaltestelle gezweifelt wurde, führte ich unsere Reisegruppe an Ort und Stelle. Immerhin hatte ich eine solche Fahrt ja schon im letzten Jahr mitgemacht, damals ging es nach Riga. Der Gang auf das Schiff mit ca. 2000 partywütigen Studenten konnte dann gegen späten Nachmittag angetreten werden. Schon im Kabinentrackt vielen dabei die Unterschiede zu der angesprochenen Fahrt nach Riga auf. Nicht nur dass wir uns diesmal auf Deck 5 nicht 0, und damit über Wasser und Autos und weit weg vom Maschinenraum befanden, das Schiff ließ schon auf den ersten Blick höheren Standard erwarten. Und so wurden die ersten positiven Eindrücke von einer schönen Kabine bestätigt, in der wir ein ungeahntes Platzangebot vorfanden und sich auch die Betten von guter qualität zeigten. Nach einem Bierchen in der Lobby und Ausflug auf's Deck ging es wieder zurück in die Kabine. Den aufkeimenden Krankheitsgefühlen sollte mit Alkohol entgegentgewirkt werden. Doch viele polnische Hunde konnten wir uns gar nicht mehr genehmen - im Duty Free Shop musste Nachschub geordert werden. Aufgrund der hohen Lebensmittelpreise an Bord hatten wir schon vorgesorgt. An Brisanz gewannen Rafis Minifrikadellen die, wie wir bei genauerem Hinschauen entdeckten, mit der Bezeichnung Kalkon versehen waren. Weder auf dem Schiff, noch in Tallinn oder Stockholm liess uns die Bedeutung dieses Ausdrucks los. Verdutzte Blicke Unbeteiligter brachten uns allerdings auf die Idee dass dieses Wort zwiespältig zu sehen ist, was sich durch eine ex-poste Recherche bestätigte. Was im Zusammenhang mit Fleisch soviel wie Truthahn heisst kann auch als Schimpfwort à la "Pute" ausgelegt werden. Jedenfalls halte ich mich mit dem unbedarften Gebrauch des Begriffs in der Öffentlichkeit nun zurück. Am späten Abend sollte dann die Glücksträhne am Black Jack Tisch fortgesetzt werden, doch während diese Einnahmequelle auf der Rigafahrt bis zum frühen Morgen geöffnet blieb, war schon um 01.00 Uhr Zapfenstreich. So kam es dass Rafi zwar sein Glück versucht hatte, ich jedoch noch nicht zum Zug kam. Kein Spiel also und so endete der Abend für manche früher für andere später in der Kajüte...
Denn schon eineinhalb Stunden vor Ankunft im Hafen sollten wir gegen Morgen unsanft durch Durchsagen der Crew geweckt werden. Was man da genau von uns wollte wussten wir nicht. Jedenfalls gingen wir dann auch von Bord und folgten erstmal den Menschenmaßen in die Innenstadt. Dort angekommen klapperten wir alles Sehenswerte ab und waren vor allen Dingen von der estnischen Architektur überrascht, immer wieder stießen wir auf obszöne Kunstwerke.


Als sich dann der Hunger einstellte und ich feststellen muss das man eigentlich nirgends mit Kreditkarte bezahlen konnte (da lobe ich mir Schweden), musste erstmal Geld abgehoben werden. Besonders erwähnenswert ist die Tatsache, dass die Esten kaum über Hartgeld, dafür aber über Scheine in jeglichen Variationen verfügen. 10 Cent in Form von Scheinen, das findet man sonst wohl eher selten. Jedenfalls war es günstig, jedoch bekam das Essen des lettischen McDonalds Mario P* (Name von der Redaktion geändert) nicht ganz so gut - die Tauben des Parks freuten sich darüber.
Gegen Abend begaben wir uns, gezeichnet von Krankheitserscheinungen und Alkoholkonsum, wieder auf's Schiff. Und erneut entschiedenen wir uns dafür die Krankheitskeime im Alkohol zu ersticken, nach kurzem Gang zum Duty Free Shop wurde also wieder angestoßen. Am späten Abend begaben wir uns zur Kabine von Martin, Julia, Andre und Maria, die um 12 Uhr Ortszeit Geburtstag hatte. Und es folgt die Masterfrage: Mit was haben wir wohl angestoßen? Ich warte auf Vorschläge... Jedenfalls ging es dann wieder hinauf, denn die Black Jack Tische schlossen ja um eins. Nicht einkalkuliert war diesmal allerdings der große Ansturm und so stellte ich mich nach kurzem Observieren des Tatorts hinter einem Spieler an, der Runde für Runde mit Werten von 11,12 oder 13 keine Karte mehr forderte. Aus unerklärlichen Gründen war das Glück jedoch auf seiner Seite und sein Chipsstack wurde größer und größer. Plötzlich sagte die Dealerin dann die letzte Runde an und beendete meinen Traum vom großen Geld - es war wieder 01.00 Uhr. Irritiert wieder nicht spielen zu können irrte ich über das Schiff, während sich Rafi und Pat zum schlafen begaben, suchte ich mit Martin und Andre nach bekannten Gesichtern. Nach Zwischenstopp in der Kajüte der Österreichconnection und gehörig Jägermeistergenuß, ging es auf die Tanzfläche, doch als auch dort die Lichter ausgingen und die Sonne am Horizont schon am Horizont erschien, war die Schlafenszeit erreicht. Jedenfalls gab es diesmal kein Sturmtief zu verzeichnen! Am Morgen wurden wir erneut durch penetrante Durchsagen und eine minderfreundliche Dame geweckt, die unsere Tür mit den Worten "Wake up - tidy up" aufstieß und lärmvoll zuknallte.Zurück in Stockholm brachte ich meinen Besuch noch zum Bahnhof. Am Ende der Reisezeit befanden wir uns erstaunlicherweise wieder in gutem Gesundheitszustand - 3 Tage zu spät wie ich nun resumieren würde. Aber auch das kann die Flut an polnischen Hunden und 5 ereignisreiche Tage nicht schmälern. Rafi & Pat, ich verbeuge mich, haltet die Ohren steif! Im Sommer wird nachgelegt!
Hälsningar, Henrik

1 Kommentar:

Pat aka Knüp alias Chancentod hat gesagt…

Big Deal :)
Haste schön und realitätsnah wiedergegeben, mein Gutster!

Der Juli wird kommen und meine alkoholhaltige Rache *g